Anneliese Uhlig

Anneliese Uhlig – die Frau, die sich Goebbels widersetzte

Die Schauspielerin und Journalistin Anneliese Uhlig wollte nicht um jeden Preis bei den Nazis spielen und setzte damit ihre Karriere als Ufa-Star aufs Spiel. Sie ist in ihrem Haus in Kalifornien gestorben.


Ein Nachruf von Dr. Rosemarie Killius am 5. Juli in der FAZ

Am 1. August sollte meine Hommage zu Anneliese Uhligs Geburtstag stattfinden, der sich am 27. August zum 99. Mal jährt. Diesen Termin hatte ich vor einigen Wochen mit dem Filmmuseum Frankfurt ausgemacht, möglichst zeitnah, denn Anneliese Uhlig ging es seit wenigen Tagen nicht mehr so gut und alle ihre Freunde und Fans und ich auch, wollten, dass sie diesen Termin noch erleben könne. Sie selbst freute sich riesig, dass in Deutschland noch an sie erinnert und sogar ihr liebster Film „Solistin Anna Alt“ eingespielt würde.
Am 16. Juni schickte sie mir per Mail noch ihre Grußworte, am 17. Juni ist sie dann abends in ihrem Haus in Santa Cruz in Kalifornien für immer eingeschlafen. An ihrem Geburtstag soll sie im Pazifik bestattet werden.

Bis einen Tag vor ihrem Tod saß Anneliese Uhlig noch an ihrem Schreibtisch und arbeitete am Computer – die große Dame des Ufa-Films und der drei Karrieren. Kennzeichen: Fleiß, Intelligenz, Zivilcourage.

Eine außergewöhnliche Biografie.
Ihr Lebensweg führte sie von Essen, wo sie 1918 geboren wurde zur Schauspielausbildung nach Berlin. Dort wurde sie von Thea von Harbou, der zweiten Frau von Regisseur Fritz Lang entdeckt.
1937 debütierte sie mit der Hauptrolle in „Manege“ mit Attila Hörbiger unter der Regie von Carmine Gallone.
1938 stand sie im Schillertheater auf der Bühne („Der Richter von Zalamea“ von Calderón) und ging auf eine mehrmonatige Europatournee unter der Leitung von Heinrich George.
Danach folgten gleich mehrere Filme mit den großen Kollegen dieser Zeit: Willy Birgel, Gustav Diessl, Hans Söhnker, Will Quadflieg u.a.
In ihren Filmen („Die Stimme aus dem Äther“, Regie Harald Paulsen, „Kriminalkommissar Eyck“, Regie Boleslav Barlog, oder „Der Vorhang fällt“ mit Gustav Knuth u.a. ) verkörperte sie hintergründige und verdächtige Frauen. Schon mit 20 Jahren galt sie so als die „geborene“ Dame.
Es folgten Bühnenrollen etwa in Goldonis „Diener zweier Herrn“ mit Joachim Gottschalk und René Deltgen. Anneliese Uhlig gehörte bald zur Spitzengarnitur der deutschen Schauspieler.
Doch als sie 1940, mit 22 Jahren, die Avancen des Propagandaministers Goebbels, dem Schirmherrn des deutschen Films, abwies und ihm ihr NEIN ins Gesicht schleuderte (er darauf: „So werden sie natürlich keine Karriere machen“), rächte er sich, indem er sie für den deutschen Film sperrte.
Durch Vermittlung ihrer Freundin, der bekannten Kammersängerin Maria Cebotari, gelang ihr aber die Verpflichtung im italienischen Film. Dort fand sie sich als Protagonistin unter der Regie von Carlo Ponti (dem späteren Ehemann von Sophia Loren) in einem gemeinsamen Filmprojekt („La Fornarina“) mit der aus Deutschland verjagten Goebbels-Geliebten Lida Baarova wieder. Nach ihrem 5. italienischen Film wird sie aber 1943 kriegsdienstverpflichtet nach Deutschland zurückbeordert und bei der Truppenbetreuung eingesetzt.
Dank ihrer Italienischkenntnisse war sie vor Kriegsende eine Zeit lang als Dolmetscherin und Gesellschafterin für die sich in Deutschland befindliche Familie des entmachteten Mussolini in einem bayrischen Schloss beschäftigt. Zugleich konnte sie noch in einigen Hauptrollen in weiteren Erfolgsfilmen brillieren, etwa in „Der Majoratsherr“ mit Willy Birgel, und in ihrer „schönsten Rolle in einem deutschen Film“, wie sie in ihrer Autobiografie schrieb, in „Solistin Anna Alt“ mit Will Quadflieg. Ihr letzter Film vor Kriegsende war „Frau über Bord“ von Wolfgang Staudte mit Heinrich George.
In den Nachkriegsjahren musste sie wie so viele um ihre Existenz kämpfen. So produzierte sie Shows für amerikamische Truppen in Österreich und Frankfurt am Main und trat mit Marika Rökk und Loni Heuser u.a. in „Glory Road“ auf.
1948 geht sie mit ihrem amerikanischen Ehemann, dem Oberleutnant und Kunsthistoriker Douglas B. Tucker, als Soldatenfrau in die Vereinigten Staaten. Dort begann sie eine erfolgreiche Karriere als Journalistin. Als solche war sie sogar im Weißen Haus akkreditiert.
Anneliese Uhlig war ungewöhnlich vielseitig. So drehte sie zwar auch weiter Filme in Deutschland, 1956 spielte sie zum Beispiel in „Dany, bitte schreiben Sie“ (Regie Eduard von Borsody) an der Seite der bekannten Nachkriegsstars Sonja Ziemann und Rudolf Prack. Doch sie lehrte auch als Dozentin für Dramaturgie und Deutsch an der Thammasat University in Bangkok, nachdem ihr Mann 1963 nach Vietnam und Thailand versetzt worden war.
Seit den fünfziger Jahren schrieb sie zudem als Auslandskorrespondentin für deutsche Zeitungen, Agenturen und Radiosender, spielte nebenher immer mal wieder Theater, und seit den Siebzigern wiederholt auch in deutschen Fernsehproduktionen mit – in Filmen wie „Das Klavier,“ Regie Fritz Umgelter, „Der Winter der ein Sommer war, ebenfalls unter Umgelters Regie und 1983 mit Heinz Rühmann „Es gibt noch Haselnuss-Sträucher,“ Regie Voitech Jasny. Zuletzt war sie in einer Dokumentation über Heinrich George aus dem Jahr 2013 zu sehen.
Anneliese Uhlig hat in rund 30 Kino- und mehr als 15 Fernsehfilmen sowie vielen Theaterproduktionen mitgewirkt, unter anderem auch bei den Jedermann-Festspielen in Heppenheim. Sie war eine mutige Frau, die in der Diktatur Goebbels persönlich Widerstand leistete und die sogar noch genug Zivilcourage hatte, ihren Jugendfreund Friedrich Goes vor dem Volksgerichtshof zu verteidigen.
Ihre Autobiografie „Rosenkavaliers Kind-Eine Frau und drei Karrieren“ ist ein interessantes Werk der Zeitgeschichte und übertrifft alles, was sich sonst an Schauspielerbiografien auf dem Markt findet. Und ihr Buch „Einladung nach Kalifornien“ ist ein immer noch gut zu lesender Reiseführer. Anneliese Uhlig wurde 1989 für ihre Verdienste um die deutsch-amerikanische Verständigung mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt. Vor ihrer zweiten Ehe mit Douglas B. Tucker, er starb 2009, war sie kurz mit dem Schauspieler Kurt Waitzmann verheiratet – ihr gemeinsamer Sohn Peter starb 2013.
Mit fast 99 Jahren, bis zu ihrem Tod, lebte Anneliese Uhlig noch in ihrem Haus in Santa Cruz. Ich habe sie dort vor einigen Jahren besucht, als ich über den Schauspieler Joachim Gottschalk recherchierte. Sie war wohl der letzte Mensch auf Erden, der Gottschalk noch kannte und mit ihm noch kurz vor seinem Tod auf der Bühne gestanden hatte.